Ein Pferd agiert – im Gegensatz zu vielen Menschen – direkt, klar und unverstellt, sendet keine doppelten Botschaften. Auch hierdurch können die Jugendlichen heilende Bindungserfahrungen nachholen.

Reittherapie ist ein ganzheitlicher Ansatz, der ein großes Spektrum individueller Einsatzmöglichkeiten bei unterschiedlichen Krankheitsbildern, körperlichen oder geistigen Behinderungen oder als störend empfundener Angewohnheiten abdeckt. Das Pferd stellt bei der Arbeit den Spiegel zur Körperhaltung und dem Verhalten des mit ihm arbeitenden Menschen dar. Planvoll ausgerichtete Erfahrungsmöglichkeiten mit dem Tier und dessen Einbindung in einen vom Therapeuten ausgelösten Prozess sind der Ausgangspunkt für reflektierbare Erfahrungen.

 

In der Arbeit mit den Pferden werden Aufbau von Vertrauen zu Lebewesen, respektvoller Umgang miteinander, Verantwortungsübernahme für sich und das Tier geübt. Die Jugendlichen bekommen durch die Pferde ein direktes Feedback auf ihr Verhalten, ohne dass sie zurechtgewiesen oder beurteilt werden. Die Jugendlichen erleben eine von Vorurteilen und Werten befreite Resonanz auf ihr eigenes – z.B. übergriffiges, distanzloses, aggressives oder ängstliches – Verhalten. Pferde erspüren sensibel die non-verbal kommunizierte Authentizität des Menschen. Die Jugendlichen können hier viel über ihr eigenes Verhalten lernen.

 

So ist die Arbeit mit Pferden ein Stück Normalität im Umgang mit einem Lebewesen und kann selbst „therapiemüden“ Menschen die Teilnahme erleichtern. Durch das Hinzukommen eines „dritten, neutralen Lebenwesens“ im Rahmen der therapeutischen Situation wird die Aufmerksamkeit des Klienten vom Gefühl des Therapiert-Werdens weggelenkt.

 

Im Vergleich zu vielen Menschen erwartet ein Pferd keinen Erfolg. Das Pferd akzeptiert den Menschen so, wie er im Augenblick ist. Bei entsprechender Behandlung begegnet es jedem Menschen mit der gleichen Freundlichkeit und zeigt, ohne sich verstellen zu können, keine besondere Zuneigung oder Abneigung wie ein Mensch oder auch andere Haustiere. Ein Pferd agiert – im Gegensatz zu vielen Menschen – direkt, klar und unverstellt, sendet keine doppelten Botschaften. Auch hierdurch können die Jugendlichen heilende Bindungserfahrungen nachholen.

Der Umgang mit dem Pferd ermöglicht körperliche Nähe ohne die Gefahr von Grenzverlust. Ausgebildete Therapiepferde machen ihre eigenen körperlichen Grenzen deutlich, ohne die des Menschen zu überschreiten. Durch die zahlreichen Berührungen beim Umgang mit dem Pferd, durch die Körperwärme des Pferdes, durch das „sich bewegen und bewegt werden“ lernt der Jugendliche (wieder) auf angenehme Weise „wahrzunehmen“, ohne dass die Situation vom Gegenüber (Pferd) ausgenutzt wird.

 

Das Pferd allein ist groß und imposant und kann zunächst starke reale Ängste auslösen. Durch den Therapeuten aufgefangen und umgewandelt, findet eine Erfahrung statt, die den Selbstwert steigern und somit inneres Wachstum fördern kann. Das prozessorientierte Verhalten der Pferde konfrontiert die Jugendlichen mit ihren eigenen Mustern, und ein Mensch wird von einem Pferd bestenfalls dann als „Leittier“ angenommen, wenn der Jugendliche lernt, selbstbewusst und kompetent zu agieren.

Pferd6310x270 Pferd2310x270 Pferd1310x270 Pferd1240x290 ebenerlogoklein ebenertreppe